Wüste
Audio | 26.07.2025 | Dauer: 00:04:04 | SR kultur - (c) SR
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„Schon wieder so heiß, kaum zum Aushalten. Es ist ja fast wie in der Wüste!“
Für die einen sind die Tage in Hitzewellen der blanke Horror, zwei Kolleginnen von mir fühlen sich in der Hitze pudelwohl. Das Bild der Wüste ist mir auch in den letzten Wochen immer mal wieder durch den Kopf gegangen. Was heißt es wohl, sich in der Wüste aufzuhalten, ohne Klimaanlage, ohne fließendes Wasser und kalte Dusche am Abend. Ohne Rückzugsorte wie große Bäume und schattige Plätze. Auf einem Geburtstag kam ich ins Gespräch mit einer Frau, die genau diese Erfahrung vor kurzem ganz freiwillig gemacht hat.
„Das war immer ein großer Traum für mich, eine Zeit in der Wüste zu verbringen und dann habe ich mich mit Ende 60 zu diesem Abenteuer entschieden“ sagt sie. Sie erzählt beides, Schönes und Schwieriges, aber ich bin überrascht, dass die Hitze dabei keine große Rolle spielt. Stattdessen schwärmt sie von ihren Begleitern, einer Gruppe von Frauen und den vier erfahrenen Beduinen, die dreimal täglich frisches Brot backen, kochen, kleine Verletzungen versorgen, aufs Kamel helfen und keinen Menschen verloren geben. Wichtige Regel in der Wüste: „Behalte das Lager im Blick!“ Denn ungefährlich ist es nicht in der Wüste. Es wäre tödlich, sich zu verlaufen, sich zu überschätzen, alleine orientierungslos zurückzubleiben. Zusammenbleiben, das zählt.
Sie erzählt weiter: „Aber die Wüste ist auch Ödnis, Leere und Langweile. Gar keine Ablenkung, kaum Hygiene, und immer wieder das Gleiche. Schlafen, essen, Kamele beladen, wandern, essen und schlafen. “
Wenn ich ihr zuhöre denke ich: „Die Wüste ist in meiner beschleunigten Welt der krasse Gegenpol.“ Was aber kann die Wüste für andere sein?
Ich lese in der Bibel über Erfahrungen in der Wüste, und immer wieder taucht dabei die Zahl 40 auf:
Die Israeliten wandern 40 Jahre durch die Wüste, nachdem sie aus der Gefangenschaft in Ägypten durch Mose befreit werden.
Jesus fastet 40 Tage in der Wüste, um mal auszuruhen und um ins Reine zu kommen. Mit seinem Vater im Himmel und mit sich selbst.
Die Zahl 40 steht symbolisch für eine Zeit der Prüfung und Erneuerung, für Besinnung auf das Wesentliche und Notwendige.
Und die Wüste ist ein Symbol für den Ort dieser inneren Entwicklung.
Jesus etwa wird in seinen 40 Tagen und Nächten klar, dass er weiterhin auf Gott vertrauen kann, dass keine Macht der Welt, ihn von Gott weglocken kann. Jesus bleibt sich und Gott treu. Er verzichtet in seinem Leben auf Anerkennung, Ruhm und Ehre.
Zeiten und Orte, sich zu besinnen, die sind notwendig. Notwendig wie das Zusammenbleiben, das Sich-nicht-aus-den-Augen-Verlieren, genauso wie Trinken und Essen.
Wüstenzeiten und Wüstentage sind eine Frage an mich: „Was brauchst du wirklich? Was würdest du in der Wüste vermissen? Wer willst du nach der Wüste sein?“
Die Wüste. Ein heißer Ort. Langweilig und herausfordernd zugleich. Aber wer sich ihr gestellt hat, wird die Klarheit der Sternennächte nicht vergessen, auch wenn die Reise keine 40 Tage oder Jahre dauert.
Vielleicht überlege ich am nächsten Hitzetag, was ich wirklich brauche, um zu leben und zu glauben.
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